Artikel, 05.07.2019

Home Office: Der Weg in die Freiheit?

Haben wir alle bald ein Recht auf Home-Office? Momentan entwickelt sich das Thema auf jeden Fall in diese Richtung. Was aber würde das für Unternehmen, Mitarbeiter:innen und Vorgesetzte bedeuten?

Ganz gleich mit wem ich derzeit darüber spreche – jeder hat eine ganz eigene Vorstellung davon, wie sein Home-Office aussehen sollte und was Home-Office für ihn bedeutet. Generell geht es natürlich immer um das Arbeiten, dass nicht im Büro stattfindet. Der Schreibtisch zu Hause, das Co-Working Space oder das Plätzchen im Coffee-Shop um die Ecke. Alles ist möglich. Unternehmen und Mitarbeiter beschäftigen aber einige elementare Fragen: Wie frei darf oder sollte Home-Office stattfinden, um einerseits die Produktivität und Zugehörigkeit zu erhalten, andererseits den Mitarbeitern aber auch tatsächliche Freiheit und Selbstbestimmtheit zu ermöglichen?

Home-Office kann auf ganz unterschiedliche Art und Weise gelebt werden. Ich beobachte dabei insbesondere zwei Wege:

1. den demokratischen Weg, bei dem ich gemeinschaftlich entscheide und handle,
2. den autonomen Weg, bei dem ich selbständig über meinen Arbeitsort entscheide.

Beide Wege sind natürlich nicht universell für jedes Unternehmen anwendbar – ganz entscheidend für den richtigen Weg ist der Status-Quo in Bezug auf Arbeitsweisen, Firmenkultur und technische Möglichkeiten.

Geplante Abwesenheit: der demokratische Weg.

Findet Home-Office auf demokratischem Wege statt, stehen die Mitarbeiter in engem Austausch mit Kolleginnen und Kollegen und der Führungsebene. Im Vorfeld eines Home-Office Tages wird mit dem Team genau abgestimmt, welche Arbeit, in welchem Umfang und zu welcher Zeit stattfindet wird. In vielen Unternehmen findet auch eine längerfristige Planung statt, die einen Überblick darüber gibt, wer an welchem Tag Home-Office plant. So kann vermieden werden, dass plötzlich das Büro leer steht oder Personen, deren physische Anwesenheit notwendig ist, nicht verfügbar sind. Zudem können auch Jobsharing-Modelle besser aufeinander abgestimmt werden und das Teilen von Arbeitsplätzen geplant werden. Aber auch die soziale Komponente hier wichtig. Wenn Home-Office geplant und transparent stattfindet, entsteht seltener das Gefühl von Benachteiligung und Aussagen wie „…ist der schon wieder nicht da…“ oder „…arbeitet der eigentlich noch bei uns?“ werden vermieden.

Ich bin dann mal weg. Der autonome Weg.

Findet Home-Office autonom statt, entscheiden die Mitarbeiter vollkommen selbständig wann sie an welchem Ort ihre Arbeit verrichten – ob an einem frei gewählten Platz im Büro, im Home-Office oder an einem anderen Ort. Vorherige Planungen oder Absprachen entfallen, es kann jederzeit spontan der Arbeitsort gewechselt werden. Niemand hinterfragt die Entscheidung oder schränkt den Mitarbeiter dabei ein – alle haben die gleichen Rechte und es kommt in der Regel auch kein Unmut auf. Aber auch bei diesem freiheitsorientierten Weg, müssen Regeln gelten. Die Mitarbeiter sollten erreichbar sein und spontan für Austausch und Online-Meetings mit Kollegen zur Verfügung stehen. Wenn das funktioniert, ist nicht mehr entscheidend wo und wie viel jemand arbeitet, sondern dass er seine gesetzten Ziele realisiert und Ergebnisse vorweisen kann.

Absolute Freiheit – aber nur mit der richtigen Arbeitskultur

Was verlockend klingt, bedeutet aber auch, dass die gelebte Arbeitskultur diesen Weg zunächst ebnen muss. Nur wenn Vorgesetzte und Mitarbeiter ein einheitliches Verständnis dazu haben wie zusammengearbeitet und kommuniziert wird, kann der autonome Weg funktionieren. Selbstverantwortung, Vertrauen und Respekt sind die Basis für autonomes Arbeiten. In jedem Fall muss eine anwesenheitsorientierte von einer zielgerichteten Arbeitsweise abgelöst werden. Als ich das erste Mal mit dieser freiheitlichen Arbeitsweise konfrontiert wurde, war es zunächst etwas befremdlich für mich und ich war verunsichert:

„Sollte ich zuerst die Führungskraft informieren und Bescheid geben wo ich arbeite? Was denken andere Mitarbeiter, wenn ich einfach spontan zu Hause bleibe? Werde ich eventuell als nicht zuverlässig wahrgenommen, weil ich meinen Tag nicht im Voraus plane? Gelte ich vielleicht sogar als faul, weil ich nicht ins Büro komme?“

Nach einer Eingewöhnungsphase, die bei mir einige Wochen gedauert hat, war es aber kein Thema mehr. Heute bin ich in meinem Kopf nicht mehr an das Büro gebunden. Wenn sich die Arbeit oder mein privates Umfeld spontan verändert, richte ich mich mit meiner Arbeit ebenso spontan ein. Ich halte entweder ganze Tage oder auch einen Teil des Arbeitstages, in Bezug auf den Ort, flexibel. Folgende Regel hat sich für mich bewährt: Der Arbeitsort, der nicht das Büro ist, wird für alle Kollegen und Kolleginnen sichtbar in einem gemeinsamen Kalender gepflegt. Das ist wichtig für die Sozialisierung im Team – ich bekomme mit wo sich die anderen aufhalten und nicht nur ob die Person an- oder abwesend ist. So finde ich meine Kolleginnen und Kollegen, aber auch die Führungskräfte entweder im direkten Umfeld, sofern ich auch anwesend bin, oder ich kann mich in einem virtuellen Raum zusammenfinden. Die technischen Möglichkeiten, um arbeitsplatzunabhängig zu arbeiten, sind breit gefächert und für jeden einfach zu realisieren.

Warum Home-Office?

Ich bin frei. Was zunächst etwas platt klingt hat viele Vorteile für Mitarbeiter, aber auch für Unternehmen. Nicht jeder Tag ist planbar. Habe ich beispielsweise kranke Kinder, die Zuhause betreut werden müssen, befinde ich mich bereits in einem Konflikt. Wenn mein Unternehmen die physische Anwesenheit verlangt und ich nicht die technologischen Möglichkeiten für Home-Office habe, muss ich Urlaub nehmen – ganz gleich, ob eine Deadline drängt oder ein wichtiges Meeting ansteht. In diesem Fall, habe nicht nur ich das nachsehen – auch mein Unternehmen verliert an Produktivität.

Home-Office funktioniert meiner Meinung nach ausschließlich in einer ergebnisorientierten Firmenkultur, die Mitarbeitern einerseits Freiheiten ermöglicht, andererseits aber auch deutlich mehr Eigenverantwortung und Motivation von ihnen fordert. Für mich ist es selbstverständlich, dass ich mich selbst organisiere und meine Arbeit an einem selbst gewählten Ort erledige – ganz gleich ob ich nebenbei zuhause den Handwerker beaufsichtigen oder mich einfach mal an einem anderen Ort inspirieren lassen möchte.

Ich denke, ganz gleich welchen Weg Unternehmen beim Thema Home-Office wählen möchten, die gelebte Firmenkultur ist der Kompass, der die Richtung weist.

(Ein Kommentar von Julian Geier, workingwell)

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